Taiwan schaltet letzten Reaktor ab, Belgien macht Atomausstieg rückgängig

Mitte Mai hat Taiwan den letzten seiner sechs Atommeiler endgültig vom Netz genommen und damit den nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima beschlossenen Atomausstieg Wirklichkeit werden lassen. Belgien geht den umgekehrten Weg: das Parlament hat eine Laufzeitverlängerung für die Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 beschlossen, die beide 1985 in Betrieb genommen worden sind und eigentlich in diesem Jahr hätten abgeschaltet werden sollen.

Das AKW Ma'anshan neben der Bucht Wan Nan © M. Weitzel / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Maanshan_Nuclear_Power_Plant,_Nan_Wan.jpg

"Nur die dummen Deutschen steigen aus der Atomenergie aus – so der falsche und polemische Spruch vieler unbelehrbarer Atomfreunde", kommentiert Hans-Josef Fell den Atomausstieg Taiwans. "Die Gründe sind die gleichen, die in Deutschland zum Atomausstieg führten: Die hohen Gefahren eines Super-GAUs, der die ganze Insel radioaktiv verseuchen würde. Nach dem Super-GAU in Fukushima 2011 im benachbarten Japan wurden die politischen Anstrengungen zum Atomausstieg noch einmal beschleunigt. Auch die ungelöste Frage der Atommüll-Endlagerung spielte eine wichtige Rolle. Zudem ist Taiwan völlig von ausländischen Uran- und Brennelementelieferungen abhängig. Jede Abhängigkeit der Inselversorgung von ausländischen Energierohstoffen stellt im Falle einer Zuspitzung des politischen Konflikts mit Peking ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar – auch wenn die Opposition in Taiwan das im Hinblick auf die Atomkraft anders bewertet."

Belgien dagegen hat zur gleichen Zeit vollkommen anders entschieden: das belgische Parlament stimmte mit großer Mehrheit für eine Laufzeitverlängerung der vier noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke von jeweils zehn Jahren: Tihange 3 und Doel 4 sind seit 1985 in Betrieb, Tihange 1 und Doel 2 sogar seit 1975. Auch der Bau neuer Reaktoren wurde grundsätzlich für möglich befunden. Die Laufzeitverlängerung kostet allerdings eine Menge Geld: "Der belgische Staat muss dafür wohl mindestens zwei Milliarden Euro investieren", schreibt die Süddeutsche Zeitung (SZ), nur um Tihange 3 und Doel 4 zehn Jahre länger am Netz zu lassen und dort die Sicherheit zu garantieren – "das hat sich der Energiekonzern Engie ausbedungen, seit den Siebzigerjahren Betreiber sämtlicher belgischer Reaktoren." Selbst der belgische Engie-Chef Vincent Verbeke hält die Laufzeitverlängerung für einen "strategischen Fehler", wie die SZ weiter berichtet. On angesichts dieser Einschätzung auch die Reaktoren Tihange 1 und Doel 2 länger am Netz bleiben, ist derzeit nicht gesichert.  Denn für diese beiden Reaktoren hat die belgische Regierung derzeit noch keinen neuen Betreiber: "Atomkraft ist nicht mehr Teil der Strategie der Engie-Gruppe", sagte ein Konzernsprecher der Nachrichtenagentur AFP.

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